Die Gründung des MTV 49
Ein vergilbtes, an den Rändern vom Zahn der Zeit arg zerzaustes Papier zeugt von der Gründung des Männer-Turn-Vereins von 1849 Holzminden e.V. (MTV 49) am 6. Mai 1849 durch 13 Holzmindener Bürger im Brandt'schen Garten auf der Steinbreite.
Am 12. Mai 1849 findet die erste Mitgliederversammlung des neu gegründeten Vereins statt.
Sie verabschiedet die von der hierzu eingesetzten Kommission entworfenen Statuten.
Anschließend kandidieren drei Mitglieder für das Amt des "Präsidenten". Auf den Kreissekretär Baumgarten entfallen 3, auf den Lehrer Grube und den Actuar Koch jeweils 5 Stimmen. Auf Wunsch von Lehrer Grube nimmt der Actuar Koch mit Zustimmung der Anwesenden ohne weitere Abstimmung die Präsidentschaft an und wird damit der erste Vorsitzende des Männer-Turn-Verein Holzminden. Zum Schriftführer wird mit relativer Mehrheit der Kreissekretär Baumgarten, zum Kassierer Notar Wolff gewählt.
Am 11. Juni 1849 werden alle Männer, die dem Verein beigetreten sind, durch Rundschreiben aufgefordert, zur ersten Turnstunde am Mittwoch, dem 13. Juni 1849, 6 Uhr abends auf dem Turnplatz an der Steinbreite zu erscheinen. Von der Einladung haben die Mitglieder durch ein "gesehen" Kenntnis zu nehmen. 12 Turnbrüder unterschreiben. Sie werden auf dem Turnplatz in Riegen eingeteilt. Die Übungsabende werden von da an regelmäßig mittwochs von 6 bis 8 Uhr abends durchgeführt.
Ein Rundschreiben vom 20. Juni 1851 gibt Aufschluss über die damaligen Mitglieder des Turnvereins. Das Schreiben erhalten die Turnbrüder Wolff (Notar), Siedler, Langenheim, Klie, Eichholz, Hude, Stichnoth, Köhler, Raegener (Auditor), Hotze, Gerhard (Kaufmann), Lohmann jun., Fäthe, Sonneburg jun., Körber jun., Brökelmann. Es heißt in dem Schreiben u.a.: "Alle Mitglieder sind gleichmäßig berechtigt, an den Vereinsübungen und Versammlungen teilzunehmen. ... Es wird dabei bemerkt, dass das Kürturnen nach Beendigung des Schulturnens beginnt und dann jeder nach Belieben diejenigen Übungen turnt, die ihm am meisten zusagen." Der Vorstand weist auf die Bestimmungen des § 27 der Turnordnung hin, wonach das Versäumen der Turnstunde eine Strafe von 2 Pfge., das Zuspätkommen eine Strafe von 1 Pfg. nach sich zieht. Diese Strafen werden monatlich listenmäßig dem Kassenführer mitgeteilt, der die Gelder einzieht. Auf eine strenge Durchführung der Turn-Ordnung wird geachtet.
Das "Schulturnen" findet danach regelmäßig dienstags und freitags von 6 bis 7 Uhr abends statt, anschließend folgt das "Kürturnen".
Fortschrittlich und mutig sind die ersten Turner des MTV, denn sie gehen neue Wege in einer Zeit, in der es als unschicklich gilt, sich ohne Rock und Hut auf öffentlichen Plätzen zu bewegen. Sie turnen mit und an Geräten, betreiben Spiele und machen Freiübungen, um dadurch ihren Körper zu stählen. An Frauenturnen ist vorerst allerdings noch nicht zu denken.
Nach Aufhebung des im Jahre 1820 zunächst durch Preußen und als Folge der Karlsbader Beschlüsse durch fast alle deutsche Staaten verhängten Turnverbots, der sogenannten "Turnsperre", schießen in dieser Zeit Turnvereine wie Pilze aus dem Boden.
Man folgt den Ideen Friedrich Ludwig Jahns (1778 - 1852), des "Turnvaters", der ein in vieler Hinsicht neuartiges System der Leibesübungen konzipiert hat und dafür die Bezeichnung "Turnen" verwendet. Jahn versteht darunter sämtliche Formen der körperlichen Ertüchtigung, das Geräteturnen ebenso wie Spiele. Turnen ist für Jahn aber auch eine Geisteshaltung, ein unverzichtbarer Bestandteil einer ganzheitlichen Erziehung.
Die Turngemeinden entwickeln einen starken Gemeinschaftssinn, der sich vor allem im Brauchtum widerspiegelt. Man pflegt das turnbrüderliche "Du" und grüßt sich mit dem "Gut Heil", das Jahn als gemeinsamen Gruß der Turner vorgeschlagen hat. Die "4 F" stehen für den Jahnschen Wahlspruch "Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei" und werden als Emblem zum verbindenden Symbol.
1863 wird der Ingenieur E. Weiß, ein begeisterter Turnersmann, zum Vorsitzenden des MTV Holzminden gewählt. Der Verein entwickelt sich unter seiner umsichtigen und tatkräftigen Führung zu neuer Blüte. Am 18. Oktober wird auf Anregung des Turnvereins die Feier zum 50. Jahrestag der Schlacht bei Leipzig in würdiger Weise begangen. Am 1. April 1864 zählt der MTV 124 Mitglieder. Am 5. und 6. Juni des gleichen Jahres findet in Verbindung mit dem Turntag des Mittelweserbezirks und unter großer Beteiligung der Holzmindener Bevölkerung das erste größere Turnfest des Vereins statt.
Bei diesem Anlass wird dem MTV Holzminden eine von Frauen und Jungfrauen der Stadt gestiftete Vereinsfahne überreicht. Im September 1865 verlässt Ingenieur Weiß die Stadt. Gerichtsassessor Witting wird neuer Vorsitzender. Der Bau einer Turnhalle wird angeregt, jedoch - wegen der geringen Aussicht, die erforderlichen Geldmittel zu beschaffen - auf bessere Zeiten verschoben.