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Reibungslos wäre ja auch zu einfach

Eine durchdachte, reibungslose Meisterschaftsvorbereitung ermöglicht gute Resultate und Erfolge – chaotische Strategien eher nicht... Oder manchmal eben doch, abzulesen an den ausgezeichneten Platzierungen von Klara Härke und Tanja Unverzagt, Stabhochspringerinnen des MTV 49 Holzminden, bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Rostock.

„Reibungslos wäre ja auch zu einfach für Euch!“ konstatierte ein Trainerkollege augenzwinkernd am Rande des Stabhochsprung-Wettbewerbs, als er von den Erlebnissen rund um die Abordnung des MTV 49 im Vorfeld der Meisterschaften erfuhr. Tatsächlich scheint in jüngster Zeit das Außergewöhnliche wie Pech an den Spikes der Holzmindener zu kleben: Vor kurzem hatte es Annika Roloff in ihrer Vorbereitung auf die Deutschen Meisterschaften getroffen (der TAH berichtete), diesmal war U18-Athletin Klara Härke die Leidtragende. Da fiel es auch ihrer Vereinskameradin Tanja Unverzagt schwer, gelassen in den Wettkampf zu gehen. Während Tanja mit Annika und Klaus Roloff per Pkw Richtung Ostsee startete, bevorzugte Klara in Begleitung ihrer Familie den Zug, um Reiseunwohlsein bei Autofahrten zu vermeiden. Für die Härkes begann das „Abenteuer Bahn“ mit einer zweistündigen Verspätung wegen Ausfall des Zuges. Das schien zunächst nicht tragisch, da man genug Zeit eingeplant hatte. Doch das eigentliche Unheil ereilte die Reisenden, als bekannt wurde, dass im Bahnhof Schwerin ein Feuer ausgebrochen war, das eine Ein- und Weiterreise unmöglich machte. So strandete der Zug Richtung Rostock irgendwo in der „Wildnis“ von Mecklenburg-Vorpommern. Ein pünktliches Erscheinen zu den Meisterschaften schien damit ausgeschlossen.
Mittlerweile hatte die andere „MTV-Hälfte“ Rostock fast erreicht, als sie die Nachricht von der Zwangs-Evakuierung des Zuges erreichte. Zu diesem Zeitpunkt waren es nur noch etwas mehr als zwei Stunden bis zur persönlichen Meldung im Callroom – dem Sammelpunkt der Aktiven vor Beginn eines Wettbewerbs – zur geplanten Zeit um 15.55 Uhr. Tanja Unverzagt war damit vor Ort, Klara Härke irgendwo im „Niemandsland“ südlich von Schwerin. Nach dem eiligen Abladen der Stäbe blieb Klaus Roloff im Stadion, um die notwendigen geforderten Registrierungen pünktlich vornehmen zu können; Annika dagegen nahm den Platz ihres Vaters am Steuer des Pkw ein mit dem Ziel, die gestrandete Familie Härke aus dem 140 Kilometer entfernten Hagenow vielleicht doch noch rechtzeitig zum Start abzuholen. Zumindest diese „Rettungsmission“ verlief reibungslos: Fast auf die Minute pünktlich meldete sich eine nervlich ziemlich erschöpfte Klara Härke im Callroom. Die Stabhochsprung-Meisterschaften konnten beginnen. So dachte man zunächst – da aber die Jungen der U18-Altersklasse ihren Wettbewerb noch nicht beendet hatten, verlegte man die Callroom-Zeit auf 16.10 Uhr, dann auf 16.30 Uhr. Pünktlich um diese Zeit ging heftiger Regen über dem Stadion nieder, der einen Beginn unmöglich machte. Konnte der Wettbewerb an diesem Tag überhaupt noch gestartet werden? Nun waren endlich alle Springerinnen inklusive der beiden MTVerinnen betroffen und entsprechend genervt. Man verlegte
die Callroom-Zeit noch einmal, diesmal auf 17.30 Uhr – und tatsächlich ließ der Regen nach, die Bahn trocknete ab, die Mädels griffen zu ihren Stäben und begannen mit dem Einspringen. Aufatmen unter allen Beteiligten – besonders bei jenen, die keine Übernachtung in Rostock gebucht hatten. Die nervliche Anspannung war beiden MTVerinnen anzumerken, und so verlief das Einspringen eher durchwachsen. Dennoch war die ungewohnt hohe Einstiegshöhe von 3,20 Metern weder für Klara noch für Tanja ein Problem, auch wenn Letztere in den zweiten Versuch musste. Fast wäre Tanja dann nach auf Anhieb gemeisterten 3,35 Metern bei den folgenden 3,50 Metern schon am Ende gewesen, doch sie „rettete“ sich mit dem letzten Versuch und verblieb im Wettbewerb. Auch Klara sprang nicht fehlerlos und leistete sich Abwürfe bei 3,35 und 3,50 Metern. Diese Fehlversuche verhinderten gute Positionen in dieser Phase des Wettbewerbs, doch das Blatt wendete sich zu ihren Gunsten bei 3,60 Metern: Tanja und Klara überwanden diese Höhe – unter diesen Umständen fast sensationell – auf Anhieb und erreichten damit exakt ihre Jahresbestleistungen. Vor Beginn des Wettbewerbs hatten beide MTVerinnen auf den Plätzen fünf und sechs gelegen und vertraten das erklärte Ziel, diese Platzierungen verteidigen zu wollen. Aber mit den erfolgreichen Auftaktversuchen bei 3,60 Metern hatten sich Klara und Tanja überraschend auf Platz vier und fünf vorgekämpft. In der Endabrechnung hatte Klara das bessere Ende für sich; hätte Tanja bei
3,50 Metern nicht drei Versuche gebraucht, wären beide MTV-Mädels auf einem gemeinsamen vierten Platz gelandet. Aber auch die tatsächliche Konstellation tat der Freude im MTV-Team keinen Abbruch, denn eine noch bessere Platzierung wäre ohnehin nicht in Reichweite gewesen. Der Nervenbelastung auf Grund der Unwägbarkeiten standgehalten zu haben war ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Erfolg.

Glücklich und zufrieden nach chaotischen Begleitumständen: Die MTV-Stabhochspringerinnen Klara Härke (rechts) und Tanja Unverzagt als überraschende Vierte und Fünfte der Deutschen Jugendmeisterschaften
Siegerehrung im U18-Stabhochsprung in Rostock: Hintere Reihe links die Siegerin Anna Hiesinger (Ludwigsburg), daneben Tanja Unverzagt (Fünfte); untere Reihe rechts die viertplatzierte Klara Härke